Wir brauchen eine neue Führung. Warum eigentlich?
Das Buch „Weil Führung sich ändern muss" des Hernstein-Autorentrios Ayberk, Kratzer und Linke ist ein Manifest für einen Wandel in der Führungswelt. Die Grenzen der Bürokratie und der hierarchischen Strukturen sind spürbar, aber muss sich deswegen die Führungswelt gleich radikal verändern? Heinz-Peter Wallner benennt 10 gute Gründe für einen Musterwechsel in der Führungsarbeit.
Wir erleben einen Wandel unserer Weltbilder und Paradigmen
Das ganzheitliche Denken löst das mechanistische Denken ab. Ein neues Weltbild tut sich auf. Das alte Paradigma der Wirtschaft verblasst vor den drängenden Fragen eines neuen Weltverständnisses. Unternehmen müssen ihren Sinn und Zweck genau definieren: Welchen Beitrag leisten sie zum Wohl der Gesellschaft?
Wir wirtschaften in einer komplexen Welt (VUCA Welt)
Die Welt ist volatil, unberechenbar, complex und ambivalent, also widersprüchlich. Das war sie schon immer, aber die Tendenz zur stark steigenden Komplexität stellt Organisationen und Führungskräfte vor ganz neue, noch weitgehend unbekannte Herausforderungen. Hierarchien, die mit einer VUCA-Welt konfrontiert sind, erinnern an den Turm zu Babel. Sie teilen mit ihm den sicheren Verfall.
Das Wirtschaftsleben erlebt tiefgreifende Veränderungen
Eine Veränderung löst die andere ab. Klassische Hierarchien können mit der Veränderungsgeschwindigkeit nicht mehr mithalten, weil die Systeme zu träge und zu starr sind. Das klassische Management ist nur mehr in den kurzen stabilen Phasen wirklich wirksam. Führungskräfte und Mitarbeitende stürzt das in den Dauerstress durch Überforderung.
Alle Grundwidersprüche müssen verhandelt werden
Hierarchien können die Grundwidersprüche wie Mann vs. Frau, alt vs. jung, bewahren vs. verändern oder Gemeinschaft vs. Individuum nicht mehr ausgrenzen. Ganz im Gegenteil: sie schlagen immer öfter voll durch und bringen die alten Machtstrukturen ins Wanken. Diese Widersprüche erfordern eine vollkommen neue Dialogqualität, die in klassischen Organisationen nicht leistbar ist. Auch die einfache „Richtig-falsch-Logik“ hat keine Gültigkeit mehr und sorgt für Dauerverwirrung.
Globalisierung und Vernetzung erzeugt eine extrem hohe Dichte
Die Folgen der Globalisierung und der steigenden Vernetzung werden als Situation erlebt, die am besten mit dem Terminus der extrem hohen Dichte beschrieben werden kann. Es kommt zu erzwungener Nachbarschaft, zu Hemmungen durch die starke Verwobenheit und zu vielen unerwünschten Kollisionen, also zu Konflikten. Die Situationen sind schwer handhabbar, weil die verfügbare Zeit eine Lösung auf klassischen Wegen nicht zulässt.
Bedürfnisse der Menschen haben sich verändert
Mitarbeitende erwarten Leadership-Qualitäten und arbeiten nicht mehr nur auf Anweisung. Sie wollen Begegnungen auf Augenhöhe, mehr Selbstverantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten. Die Zusammenarbeit in Teams muss neu organisiert und agil gestaltet werden. Command-and-control-Systeme führen nur noch zur Demotivation und zu Dienst nach Vorschrift. In der dynamischen Wirtschaftswelt reicht das schon lange nicht mehr.
Die technologischen Innovationen bringen musterbrechende Erneuerungen
Der technologische Fortschritt ist kaum mehr nachvollziehbar und auch kaum wirklich rational verstehbar. Was die neuen Technologien an Wandel bringen, lässt sich auf klassischen Wegen strategisch nicht mehr bearbeiten. Die Geschäftsmodelle ganzer Branchen verändern sich in kürzester Zeit. Wer nur reagiert, ist bereits zu spät dran, bevor das Entwicklungsprojekt begonnen hat.
Die Digitalisierung definiert Arbeit und Produktion vollkommen neu
Durch die Digitalisierung wird die Wirtschaft neu organisiert. Das bringt enorme Ungewissheit und strategische Risiken mit sich. Es ist unklar, wie sich Arbeit in Zukunft definieren lässt und welche Aufgaben in Zukunft noch von Menschen übernommen werden können. Die Würfel dazu sind längst gefallen. In den Chefetagen der Bürokratien ist eine Art Duldungsstarre eingekehrt. Das Eindringen der Digitalisierung führt aber nur dort zur schöpferischen Befruchtung, wo der Lebendigkeit (der Agilität) die Tore geöffnet werden.
Sustainable Development setzt global neue Prioritäten, aber auch neue Grenzen
Was meist als heiteres Imageprojekt begonnen hat, ist vielerorts zum strategischen Ernstfall geworden. Wer sich dem Wirtschaften mit ökologischer Nebenwirkungsarmut nicht ergibt und soziale Auswirkungen ignoriert, gilt als einfältig und wird für seine Torheit in der Welt der sozialen Medien bestraft. Nachhaltiges Wirtschaften ist aber kein Paradigma, das in bürokratischen Welten gut gedeihen kann.
Das Wachstum erhält neue Bedeutungen und wird von Qualitäten durchdrungen
Bisher ist wirtschaftlicher Erfolg mit Wachstum gleichgesetzt worden. Wenn es aber plötzlich auch eine Debatte über eine mögliche „Ankunft“ gibt, müssen sich die Wirtschaft und das Unternehmertum selbst neu erfinden. Wachstum ist im Wandel, soviel ist sicher. Die Auswirkungen auf die Strategien sind noch unklar. Solche Fragen sind nur im Stakeholderdialog zu verhandeln.
Gewiss ist heute nur eines: So kann es nicht weitergehen. Das sagt Peter Sloterdijk und fügt gleich noch hinzu: „Du musst dein Leben ändern.“ Daraus folgt auch: Organisation und Führung müssen sich ändern.
Im Buchhandel
Eva-Maria Ayberk, Lisa Kratzer und Lars-Peter Linke: Weil Führung sich ändern muss. Ein Reiseführer in die Zukunft der Führung in neuen Organisationsformen
Erschienen im Springer Gabler Verlag, 184 Seiten, 29,99 Euro