So bleiben Neujahrsvorhaben keine Vorhaben
Anlässlich des Jahreswechsels entschließt man sich gern zu ehrgeizigen Vorhaben. Warum bleiben so viele auf der Strecke? Was ist erforderlich, damit Vorhaben konsequent umgesetzt werden und nachhaltige Erfolge bewirken?
Haben Sie sich zu Silvester etwas für das neue Jahr vorgenommen? Herzlichen Glückwunsch! Damit haben Sie schon etwas Entscheidendes getan. Bekanntlich ist Erkenntnis der erste Schritt zur Besserung. Und jeder Erfolg beginnt mit einer klaren Entscheidung. Beherzte Entschlossenheit erschließt persönliche Energiequellen. Die Vorhaben zu verschriftlichen und anderen zu erzählen erhöht die Verbindlichkeit. Sich selbst den Rückzug abzuschneiden oder zu erschweren kann auch eine Strategie sein. „Wirf dein Herz über den Zaun und springe nach“ heißt es dazu im Volksmund.
Kraftvolle Ziele
Weit verbreitet ist das Wissen, dass Ziele SMART formuliert sein müssen. S steht dabei für eine spezifische oder konkrete Formulierung des Ziels, M für die Messbarkeit bzw. zumindest das qualitative Erkennen der Zielerreichung, A für die aktive Beeinflussbarkeit, R für realistisch und T für terminisiert. Doch offensichtlich reicht das häufig nicht, um den inneren Schweinehund zu überlisten.
Erfolgversprechender sind schon KRAFT-volle Ziele. K wie konkret erreichbare Zielerreichung, R wie realisierbar – zu einem großen Teil von mir selbst beeinflussbar mit möglichst geringer Abhängigkeit von anderen, A wie attraktiv – d. h. mit relativ einfachen Mitteln bewirke ich möglichst großen Nutzen, F wie fixiert – verschriftlicht und möglichst auch noch Anker wie z. B. Bilder, Symbole, eine Melodie oder Gegenstände, die mich im Alltag an das Vorhaben erinnern, und T wie terminisiert.
Was erhöht zusätzlich die Erfolgs-Chancen?
„Hin zu“ statt „weg von“
Stellen Sie sich vor, Sie würden beim Bahnhof in ein Taxi steigen und zum Fahrer sagen: „Bitte fahren Sie schnell los. Ich muss weg vom Bahnhof.“ Er würde Sie entweder irgendwo hinfahren und so sein Einkommen maximieren oder, was wahrscheinlicher ist, er würde Sie fragen, wohin Sie wollen. Sie können sich jetzt den Mund fusselig reden, wo Sie NICHT hinwollen. Das gibt dem Fahrer genauso wenig Orientierung, wie es nicht sinnvoll ist, beim Vorwärtsfahren den Rückspiegel zu nutzen, um auf der Fahrbahn zu bleiben. Mit unserem Hirn ist es ähnlich. Nicht-Aussagen sind maximal wirkungslos – meist sind sie sogar kontraproduktiv. Wenn Sie sich etwa vornehmen, NICHT ans Essen zu denken. Bei Schleuderkursen im Zuge von Fahrtrainings lernt man, dass man unbedingt den Zwischenraum und nicht den Baum fixieren soll. Die Bewegung folgt nämlich der Aufmerksamkeit. Zu einem Kind „Stolper nicht!“ zu sagen erhöht die Wahrscheinlichkeit des Stolperns. „Jetzt ein großer Schritt!“ wäre hier die positive, wirkungsvolle Alternative.
In unserem Alltag sind viele Ziele „weg von“ formuliert und von daher können sie nicht funktionieren. Etwa null Fehler, keine Reklamation, kein Unfall, Kosten reduzieren, Gewicht abnehmen, zum Rauchen aufhören. Die hirngerechten positiven Formulierungen wären hingegen: 100 Prozent Qualität auf Anhieb, hohe Kundenzufriedenheit, sicher fahren, Ressourcen effektiv nutzen, Kleidergröße X passt wieder, einen vollen Atemzug frischer Luft oder den vollen Geschmack reifer Erdbeeren wieder auskosten.
Solio- versus Sozio-Ziele
Dirk Dautzenberg hat trefflich formuliert: „Einen Menschen erkennt man daran, wie er sich benimmt, wenn er sich nicht benehmen muss.“ Seien Sie achtsam gegenüber sich selbst, ob Sie Ihr Vorhaben gewählt haben, um die Anerkennung anderer zu gewinnen – das wäre ein Sozio-Ziel –, oder ob es Ihnen selbst ein ureigenstes Bedürfnis ist. Solio-Ziele haben wesentlich größere Erfolgsaussichten, weil innere Motivation so viel nachhaltiger als äußere Motivation ist. Bei Sozio-Zielen sind wir gefährdet, vor uns selbst und anderen Ausreden zu finden, warum es uns nicht möglich ist. Bei der Erreichung von Solio-Zielen werden wir erfinderisch, um Hürden zu meistern. Ganz im Sinn der Aussage: „Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.“
Karl Böhm hat gemeint: „Glück ist ein Maßanzug. Unglückliche Menschen sind jene, die den Maßanzug eines anderen tragen wollen.“ Das gilt auch für Ziele und Erfolge. „Was heißt Erfüllung und Erfolg für mich in meinem Leben?“ ist eine inspirierende Frage. „Was gilt in der Gesellschaft als Erfolg?“ ist der Druck und Stress erzeugende, toxische Doppelgänger.
Heiße statt kalter Ziele
Viele Vorhaben lassen uns emotional kalt. Wenn wir Feuer und Flamme für eine Veränderung sind, entwickeln wir mehr Power. Sehr schön verdeutlicht dies folgende kurze Geschichte: Auf einer Baustelle arbeiten mehrere Menschen. Sie werden gefragt: „Was machen Sie?“ Der erste antwortet fast genervt: „Was man als Maurer so macht. Ich errichte eine Mauer.“ Der zweite frustriert: „Den ganzen Tag muss ich immer nur Ziegelstein auf Ziegelstein legen. Der lange Tag nimmt kein Ende.“ Der dritte stolz: „Ich errichte einen Rohbau.“ Man spürt seine Vorfreude auf das geschaffene Werk, das auch mit einer Gleichenfeier gewürdigt wird. Und der vierte von Ehrfurcht ergriffen: „Ich darf eine Kathedrale mitgestalten.“
Der dritte und der vierte Maurer haben heiße Ziele, die Emotionen wecken, die wiederum Schaffenskraft und Durchhaltevermögen erzeugen. Etwas Sinnvolles zu bewirken gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Stellen Sie bei Ihren Zielen daher den Nutzen in den Vordergrund. „Ich möchte mich in meinem Körper wohl fühlen und leichtfüßig in den vierten Stock zu Fuß gehen“ hat deutlich größere Erfolgschancen als „Ich möchte eine bestimmte Diät einhalten“. Achten Sie auch darauf, dass die Formulierung für Sie stimmig ist und positive Emotionen weckt. Aufgrund meiner Lebensgeschichte ist „Fitness“ bei mir höchstpersönlich negativ belegt. Genauso verbinde ich mit „rank und schlank“ keine positive Assoziation. „Schlank und beweglich“ ist hingegen für mich ein lohnendes Ziel. Wenn Sie Ihre Vorhaben mit Ihren übergeordneten Lebenszielen in Verbindung bringen können, haben Sie allerbeste Voraussetzungen, um freudig-zielstrebig voranzukommen.
Erfolg folgt der Vorstellung vom Erfolg
Um die Macht des Unbewussten als Verbündeten zu gewinnen, ist es wichtig, die Zielerreichung im Präsens zu formulieren. Eine Absichtserklärung oder ein Konjunktiv wie „Ich würde gerne …“ ist zu wenig griffig. „Am Tag X ist … erreicht“ ist zwar nach grammatikalischen Regeln nicht ganz korrekt, weil es in der Zukunftsform ausgedrückt werden müsste. Jedoch nur die Gegenwartsform des Präsens erzeugt Präsenz der Ziele. In der Grundschule erklärt man häufig Verben als TUN-Wörter. Schade, dass dies später eine Abwertung als kindisch erfährt. Verben sind hochgradig performativ und lösen Prozesse aus. Es geht etwas voran. Beispielsweise „Am Tag X bewirte ich Gäste im frisch renovierten Wohnzimmer“ ruft einen Film der angestrebten Zukunft hervor. Dies erzeugt wesentlich mehr Kraft als ein Bild. Sich die erfolgreiche Zielerreichung lustvoll-sinnlich auszumalen bewirkt Zugkraft. Die Indianerweisheit „Wenn du deine Ziele kennst, trägt dich der Wind dorthin wie ein Adler“ erfährt in der Neurobiologie und im daraus abgeleiteten Mentaltraining Bestätigung.
Vom Vorhaben zur Umsetzung
„Eine große Idee braucht nicht nur Flügel zum Fliegen, sondern auch ein Fahrgestell zum Landen.“
Diesem Zitat von Neil Armstrong füge ich als Physikerin noch hinzu: „Auch für das Starten sind das Fahrgestell und der Griff der Reifen erforderlich.“ Selbst der längste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Doch Achtung: Viele von uns neigen zur Prokrastination, der „Aufschieberitis“, die Christa Busta in der Aussage auf den Punkt bringt: „Morgen werde ich beginnen. Gestern wollte ich heute schon.“ Von daher gilt im Mentaltraining das Prinzip, innerhalb von 72 Stunden einen ersten konkreten Schritt zu setzen, um sich aufzuraffen und einen ersten kleinen Teilerfolg zu sehen.
Kluger Umgang mit Rückschlägen
Bevor eine neue Verhaltensweise in Fleisch und Blut übergeht, durchlaufen Veränderungsvorhaben die bewusste Kompetenz und auch die bewusste Inkompetenz. Bevor wir Veränderungen nachhaltig verinnerlicht haben, müssen wir bewusst darauf achten, in neuer Weise zu agieren; z. B. dass wir uns gesund ernähren und zu essen aufhören, wenn wir Sättigung verspüren. Das kostet Anstrengung. Wir sind außerhalb der Komfortzone des Vertrauten in der Komm-vor-Zone unseres bewusst geführten Lebens. Weil das Neue noch nicht so vertraut ist, fallen wir auch – insbesondere wenn wir unter Stress stehen – wieder in die alte Verhaltensweise zurück. Hier ist der springende Punkt vom Gelingen von Veränderungsvorhaben: Statt zu resignieren („Ich kann es einfach nicht. Immer wieder scheitere ich.“) ist es viel angemessener, sich selbst anerkennend auf die Schulter zu klopfen („Ich bin unterwegs. Ich lerne. Es fällt mir schon auf, wenn ich im alten Muster agiere.“). Übrigens, das Wort „gescheitert“ trennt lediglich der Buchstabe „t“ von gescheiter. Und jetzt gilt es, vorwärts orientiert wieder bewusst den nächsten Schritt in Richtung Erfolg zu setzen.
Neue Rituale anstelle der alten Muster
Unser Hirn liebt vertraute Abläufe. Dass es durchaus herausfordernd sein kann, sich das Rauchen abzugewöhnen, liegt nicht nur an den Suchtstoffen in der Zigarette, sondern vor allem auch daran, dass in vielen alltäglichen Situationen der Griff zur Zigarette verankert ist. Für all diese Gelegenheiten sind jetzt neue, gute Rituale erforderlich, die mit der Zeit wieder in unserem Hirn automatisiert werden.
Etappenziele setzen und Teilerfolge würdigen
So, wie große Projekte in einzelne Arbeitspakete strukturiert werden, ist es auch sinnvoll, das Vorhaben in Etappen zu gliedern und das Vorankommen zu visualisieren. Teilerfolge zu würdigen ist sinnvoll, um daraus die Kraft zu schöpfen, die das Erreichen des nächsten Teilziels ermöglicht. Der (ehemalige) Werbeslogan eines österreichischen Finanzdienstleisters spricht mir aus dem Herzen: „Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen.“ Und Goethe wusste schon, dass Erfolg aus 3 Buchstaben besteht: TUN!