Fehler sei Dank
Der Stressverstärker „Sei perfekt!“ killt jeden Innovationsgeist. Denn Neuland zu betreten bedeutet immer auch das Risiko des Scheiterns.
„Man macht kaum Fortschritte, wenn man nicht akzeptiert, sich einer Situation auszusetzen, in der man verwundbar ist“, so Cédrik Villani, von vielen belächelt und argwöhnisch betrachtet. Jetzt ist er Träger der Fields Medaille 2010, der höchsten Auszeichnung für Mathematikerinnen und Mathematiker, die nur alle 4 Jahre verliehen wird.
Pioniergeist braucht Mut für Fehler
Oft sind die Fehler des Unterlassens schlimmer als die Fehler des Tuns. Doch Ersteres wird bei uns eher geduldet, was fatale Folgen haben kann. Dazu Yves Doz, Chef von INSEAD: „Die meisten Unternehmen scheitern nicht daran, weil sie die falschen Dinge tun, sondern weil sie die richtigen Dinge zu lange tun.“
Gerade im Stress greifen wir aber gern nach dem Naheliegenden, nicht nach dem nachhaltig Sinnvollen. Ich nenne das PEPsL: problemerhaltende Pseudo-Lösungen. Teilweise werden es sogar problemerzeugende Pseudo-Lösungen.
Irren ist menschlich
Was gäbe es alles nicht ohne Irrtümer! Von der Entdeckung Amerikas bis zur Erfindung der Post-its. Doxastischer Falibilismus bezeichnet übrigens die Unabänderlichkeit der Tatsache, dass Menschen mit ihren Meinungen gelegentlich falsch liegen.
Doch wer wirklich Autorität hat, wird sich nicht scheuen, Fehler zuzugeben. Ich bezeichne das Souveränität 2.0: stimmig agieren inklusive Ecken und Kanten, Fehler und Pannen. Wesentlich dabei ist die Reflexion: Was lerne ich daraus und was mache ich ab jetzt anders? Denn unser Hirn lernt immer. „Gescheitert“ trennt nur der Buchstabe „t“ von „gescheiter“.
Gamification fördert die Weiterentwicklung
Warum sind (Computer-)Spiele so faszinierend, dass sie sogar Suchtpotenzial haben? Und die noch spannendere Frage: Wie kann man Einsatzbereitschaft, Ausdauer und Zielstrebigkeit für Spiele auch für die Businesswelt erschließen? Spiele haben klare Ziele und Regeln, der Spielstand spornt uns zu höherer Leistung an. So können wir einfach beginnen, erfahren Erfolgserlebnisse und es bleibt herausfordernd. Und auch wenn wir unser Ziel nicht erreichen: Der Anreiz bleibt. Wir spielen einfach weiter, bis wir es schaffen. Im Sinn der Worte von Robert Musil: „Wir irren vorwärts.“
Umgang mit Nichtwissen und Kritik
Haben Sie schon vom Dunning-Kruger-Effekt gehört? Demnach erkennen inkompetente Menschen weder ihre eigene Inkompetenz noch die Kompetenz anderer. Denn zum Erkennen eigener Unfähigkeiten braucht es bereits Fähigkeiten. Neben der Reflexionsfähigkeit ist die Kompetenz, Kritik anzunehmen, von zentraler Bedeutung. Tatsächlich haben die meisten großen Ideen einen belächelten Anfang.
Bertrand Piccard, ein Schweizer Psychiater und Abenteurer, spricht in diesem Sinne sicher auch dem eingangs erwähnten Mathematiker Cédrik Villani aus der Seele: „Ich suche mir immer Leute, die mir sagen: Was du machst, ist total bescheuert. Denk noch mal nach. So kommen gute Ideen zustande.“