Die Homeoffice-Challenge: nicht vor Ort und doch dabei
"Belonging" wird zu einem Schlüsselbegriff der hybriden Arbeitswelt. Was das für Führungskräfte bedeutet – und bei welchen drei Persönlichkeiten Homeoffice schwierig sein kann.
Elon Musk wird auf dem Mars landen, bevor es ihm gelingt, alle seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder ins Büro zurückzuholen. Denn zu viele von uns lassen sich die gesteigerte Flexibilität und die stärkere Nähe zur Familie nicht mehr nehmen. Hybrides Arbeiten wird uns bleiben.
Es funktioniert ja auch. Das weiß ich, weil ab Mitte 2020 mehrere hundert Führungskräfte in meinen Workshops zu Remote-Führung folgendes Statement bewertet haben: "Mein Team hat die Herausforderungen der Corona-Zeit besser bewältigt als erwartet." So entstand der DOBCOBEX (Doblhofers Corona-Bewältigung-Index). Er stand nach zwei Jahren, ohne viel Varianz, bei 8,1 von 10 Punkten.
Homeoffice hat nicht nur Fans
Und doch hat die Arbeit von zuhause keineswegs nur Fans. Manche führt sie in Isolation, Depression und psychische Krankheiten. Falls Sie das schwer nachvollziehbar finden: Führungskräfte scheinen (laut Microsoft 2021 Work Trend Index) jene Gruppe zu sein, die mit den Nebenwirkungen von Homeoffice am besten zurechtkommt. Sie sollten also nicht von sich selbst auf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schließen.
Satelliten, Nerds und Überforderte
Von drei Typen höre ich in meinen Workshops immer wieder, die im Homeoffice ihre Probleme haben:
1. Der Satellit
Geht an die Grenzen seiner Selbständigkeit und darüber hinaus. Macht sein eigenes Ding. Umgeht manche Regeln oder bricht sie offen. Steht für persönliche Begegnungen kaum mehr zur Verfügung. Diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können wir einen Deal anbieten: ja, stärkere Selbständigkeit – gegen verlässliche Ergebnisse und Kollegialität im Team.
2. Der Nerd, reloaded
Zeigt (oft seit den Lockdowns) ein auffälliges Sozialverhalten. Kontakt wird reduziert, auf wenige Personen eingegrenzt und auf Schriftlichkeit beschränkt. Die Kommunikation wird unsachlich. Der Nerd (meistens ein Mann) braucht eine klare, aber einfühlsame Rückmeldung, und Hilfe, die er auch annehmen kann. Oft hat er eine Kollegin oder einen Kollegen, mit der oder mit dem die Zusammenarbeit noch funktioniert.
3. Der oder die Überforderte
Zeigt eine stark schwankende Leistungskurve, "taucht" gelegentlich "ab", hat dann oft Phasen gesteigerter Produktivität bis zum nächsten Rückfall. Hier hängt die optimale Reaktion von der jeweiligen Ursache ab: Liegt es an den Wohnverhältnissen, den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, familiären Verpflichtungen – oder an mangelhaftem Selbstmanagement?
In allen drei Fällen kann es sein, dass wir einen Zusammenhang zwischen Homeoffice und gesunkener Leistung ansprechen müssen. Dann ist möglicherweise die Arbeitsform Homeoffice oder deren Ausmaß zu hinterfragen.
Führt Distanz zu ... Distanz?
Das alles sind Einzelfälle, und nicht sehr häufige. Aber darüber hinaus beginnt uns eine Ahnung zu beschleichen: Arbeit auf Distanz könnte zu einer inneren Distanz zum Arbeitgeber führen. Es liegt auf der Hand, dass dies eine eher langfristige Entwicklung wäre. Heute können wir sie schon bei Beschäftigten sehen, die seit 2020 einen neuen Arbeitgeber haben: Manchen fällt es schwerer als früher, eine Bindung zu ihren neuen Kolleginnen und Kollegen aufzubauen.
3 Tipps für mehr Belonging
Zugehörigkeit wird damit ein Schlüsselbegriff in der hybriden Arbeitswelt, Dabeisein, oder englisch: Belonging. Was können Führungskräfte für mehr Belonging unternehmen?
- Es ist wichtig, häufiger – auch in 1:1-Meetings – mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu reden.
- Außerdem ist es sinnvoll, regelmäßige Teamtage einzuführen, an denen möglichst alle Mitglieder vor Ort zusammenkommen.
- Wenn man diese aber nicht aktiv (und immer wieder neu) gestaltet, werden sie bald zu einer lästigen Routine – und eine Ausrede zum Daheimbleiben findet sich immer.
Corona war eine Zeit der Eigenverantwortung
Bei der Gestaltung von Teamtagen oder bei anderen Projekten oder Initiativen können wir uns von unseren Teammitgliedern stärker unterstützen lassen. Viele sind das jetzt gewöhnt, denn für sie sind die Corona-Jahre eine Zeit gesteigerter Eigenverantwortung geworden. (Und dennoch, oder gerade deswegen, haben wir sehr gut funktioniert – siehe DOBCOBEX.) Dafür haben viele Teams neue digitale Tools eingesetzt und/oder agile Praktiken eingeführt. Wenn wir das alles nicht wieder zurückdrehen, sondern Selbständigkeit und Mitverantwortung gerade jetzt noch weiter ausbauen, dann hätten wir aus der Krise das Beste gemacht.